HERAUSFORDERUNG PO-DELTA
KARPFENANGELN AUF ITALIENISCH
Ich sitze zu Hause vor meinem Bildschirm und surfe im Internet. Die Wettervorhersagen sind mein Ziel. Die Wetterseiten, die mir zeigen sollen wie das Wetter in jener Woche wird, die ich demnächst im Po-Delta verbringen werde. Das Fieber hat mich wieder mal gepackt und ich muss an den schwierigen Fluss – alte Erfahrungen erweitern – neue Möglichkeiten ausprobieren und natürlich entspannen.
In knapp 3 Wochen ist es so weit. Mal sehen was der ehrwürdige Po diesmal auf Lager hat. Sternstunden und Highlights oder Frust. Wird es schön oder muss man wie schon so oft im Jahr 2008 mit Wettereskapaden rechnen. Das ist sehr wichtig, denn die Carps in diesem Fluss mögen gleichmäßiges, beständiges Wetter. Bei stark wechselhaftem Wetter haben sie kaum Lust zu beißen. Diese Erkenntnis ist so ziemlich das Einzige worauf man sich halbwegs verlassen kann.
Es gibt keine allgemeingültigen Regeln. Was während einer bestimmten Jahreszeit in einem Jahr gut funktioniert hat, muss im nächsten Jahr zur selben Jahreszeit mit denselben Bedingungen nicht zwangsläufig erfolgreich sein.
Was aber kann man tun um trotzdem zu vernünftigen Fangergebnissen zu kommen. Damit kommen wir wieder zurück zur Wettervorhersage. Sie ist ein Teil der wichtigen Vorbereitung. Da es im Po-Delta sehr schwierig ist sich an Erfahrungswerte zu halten, denke ich, dass es hauptsächlich auf 2 wesentliche Dinge ankommt. Erstens die Vorbereitung und zweitens die Flexibilität während des Angeltermins vor Ort.
Die Vorbereitung bezüglich des Wetters gestaltet sich schwierig. Beeinflussen können wir es nicht, aber wir können uns die Erfahrungen von Personen vor Ort zu nutze machen und sollten keine Angst haben auch einmal neue Wege zu gehen.
Mit ein paar Anhaltspunkten, die zwar nur am Rande mit dem Wetter zu tun haben, kann ich aber trotzdem dienen. Wie schon erwähnt bringen gleichmäßige, stabile Bedingungen mehr Bisse.
Das betrifft nicht nur das Wetter, sondern auch die Wassertemperatur. Sie sollte innerhalb kurzer Zeitabschnitte nicht zu stark differieren. Temperaturen zwischen 18° und 25° scheinen optimal zu sein. Sinkt die Wassertemperatur im Herbst unter 17° Celsius, habe ich festgestellt, dass sich die Carps im Po schon mal in tiefere Regionen zurückziehen können. Das gilt übrigens noch sicherer im Sommer bei hohen Wassertemperaturen. Im Frühjahr vor der Schonzeit scheinen die Gelben erst ab ca. 17° so richtig Appetit zu bekommen.
Ein anderer Aspekt den wir nicht ändern können ist der Tidenhub, der das Leben im Delta sehr stark beeinflusst. Wie wir wissen ist der Mond für die Gezeiten verantwortlich, was wir aber nicht wissen ist, wie genau sich das auf das Leben der Karpfen auswirkt.
Im Delta kann sich der Wasserspiegel schon mal um beachtliche 70 cm über und 30 cm unter Normalniveau bewegen. Das ist ein Unterschied von 100 cm. Zum Zeitpunkt des Vollmondes gibt es die stärksten Hübe.
Wenn das Wetter klar ist, kann man dann speziell im Herbst einen herrlichen Nachthimmel bestaunen. Dass die Fische sich zu dieser Zeit manchmal eigenartig verhalten ist nicht verwunderlich. Geht es uns bei Vollmond nicht manchmal genauso?
Leider kann man aber auch da keine fixen Regeln erkennen. Das eine Mal bekommt man bei solchen Verhältnissen viele Bisse, das andere Mal kriegt man gar keinen Karpfen auf die Matte.
Ich persönlich habe festgestellt, dass während wir in einer solchen Nacht keine Bisse bekommen haben, eine andere Gruppe nur ca. 800 m flussabwärts jede Menge Runs zu verzeichnen hatte.
Für mich sehr bedauerlich aber spannend zugleich - wie schon gesagt, der Fluss ohne Regeln ist immer wieder eine Herausforderung. Auch der Wind scheint eine gewisse Rolle zu spielen. Er beeinflusst meiner Meinung nach das Beißverhalten positiv, wenn er nicht zu stark ist. Meine Angelkollegen und ich konnten immer wieder feststellen, dass bei Windstille wenige Bisse zu bekommen sind. Da absolute Windstille im Po-Delta jedoch sehr selten ist, kann dieses Thema wohl als unwesentlich bezeichnet werden.
Soweit zu den Dingen die wir nicht direkt beeinflussen können. Schlechte Bedingungen kann man hier nur durch Information vor Ort, Intuition und Flexibilität umgehen um trotzdem erfolgreich zu angeln.
Zum Beispiel müssen wir uns Gedanken machen den Angelplatz in Abhängigkeit von Wetter und Jahreszeit anzupassen. Dafür ist es von Vorteil uns den reichen Erfahrungsschatz im Camp zu nutze zu machen. Denn selbst wenn wir 3 bis 4 Mal pro Jahr den Po besuchen, können wir immer noch nicht behaupten ein Profi zu sein, der hier den absoluten Durchblick hat. Jeder Hinweis den man bekommt ist Gold wert, denn nur allzu schnell ändern sich im Po-Delta die Bedingungen.
Nun aber zu den Dingen die wir hundertprozentig im Griff haben. Ein hochwertiges Zelt ist am unberechenbaren Fluss von höchster Wichtigkeit. Das Wetter kann hier blitzartig umschlagen. Aus einem warmen Sommerabend kann überraschend schnell ein stürmisches Gewitter mit enormen Windgeschwindigkeiten werden. Die Verwendung eines unstabilen Zeltes kann hier fatale Folgen haben. Zu kurze Zeltheringe sind zur Befestigung auf den Sandbänken am Flussufer oder auf den Inseln nicht geeignet.
Bei einem meiner ersten Aufenthalte im Po-Delta, haben wir, wie sich rasch herausstellte, ein völlig ungeeignetes Zelt verwendet. Es war sehr instabil und hatte zu kurze Heringe. Schon in der ersten Nacht hatten wir ein stürmisches Gewitter. Wir mussten es stundenlang festhalten, damit es nicht weggeblasen wurde. Zusätzlich hatten wir dann am nächsten Morgen eine Menge Reparaturarbeiten zu bewältigen. Wir hatten großes Glück, dass nicht mehr passiert ist.
Dieses Zelt war zwar ein Markenzelt aus einem Angelshop, aber wir haben es nie mehr verwendet. Spart bitte nicht bei der Qualität der benötigten Utensilien, sonst kann so ein Angeltrip schneller zu Ende sein als man glaubt, ganz zu schweigen von schlimmeren Folgen.
Ein sehr wichtiges Thema für eine optimale Vorbereitung ist auch die Beschaffung von Futter.
Es ist klar, dass hier sehr schwierige Bedingungen herrschen. Wir haben es mit einer riesigen Wasserfläche und sehr unterschiedlichen Strömungen zu tun. Hinzu kommt noch der durch die Gezeiten beeinflusste Wasserstand.
Über die Futtermenge ist schon viel diskutiert worden. Da hört man ja zum Teil in jeder Hinsicht unglaubliche Mengen. Da habe ich doch tatsächlich 2 Personen auf einer Insel fischen gesehen, die glaubten mit 3 kg Hundefutter eine ganze Woche lang auszukommen. Das geht natürlich nicht. Aber viel schlimmer ist das andere Extrem.
Es gibt immer noch Leute, die meinen sie müssen unbedingt 2 bis 3-hundert Kilogramm ungekochten Mais in den Po schütten um Karpfen fangen zu können. Na gut, es ist billig. Aber ich verstehe trotzdem nicht, warum man eine solche Menge Mais einige 100 Kilometer weit spazieren führt, wenn es eigentlich nur negative Begleiterscheinungen gibt.
Mit dem Mais werden hauptsächlich Weißfische angelockt und davon gibt es im Po mehr wie genug. Durch die fressenden Weißfische kommen dann auch noch die großen Räuber – also Welse – an den Platz, an dem eigentlich Karpfen gefangen werden sollten. Versetzt euch in einen großen Schuppi, der in Ruhe fressen will, dann erklärt sich von ganz allein, dass diese Methode nicht funktioniert.
Die Population der Weißfische nimmt in letzter Zeit stark zu. Wir hatten eine Woche, in der wir auch ohne Maisfütterung mehr Rapfen, Brachsen und Güster gefangen haben als Karpfen.
Es mag schon sein, dass man mit Mais auch den einen oder anderen Yellow fängt, aber die ganz dicken werden hier nicht dabei sein. Mit Mais gefütterte Spots sind dann oft wochenlang nicht zu gebrauchen, denn die Weißfische werden regelrecht konditioniert. Fischt man ohne es zu wissen an einem solchen Spot, kann man sich nur wundern warum alle möglichen Fische gefangen werden nur keine Karpfen.
Noch ein Wort zu den Rapfen. Die Population wächst und wächst und mittlerweile verschmähen sie auch einen großen Hakenköder nicht mehr. Ich bin fest davon überzeugt, dass der Qualität des Futters und der Futterstrategie die größte Bedeutung zukommt. Oberstes Gebot muss es sein, die Schuppi`s und Spiegler an den Spot zu bekommen und so lang wie möglich dort zu behalten. Das hört sich theoretisch einfach an, aber in der Praxis machen uns eine Reihe von Dingen das Leben nicht gerade leicht.
Zuerst zur Qualität des Futters. Versetzt euch mal in die Lage eines Karpfens im Po. Ihr schwimmt in einem Fluss mit einem sehr hohen natürlichen Nahrungsangebot. Was würdet ihr tun? Würdet ihr künstliches, minderwertiges Futter dem gewohnten natürlichen Angebot vorziehen? Natürlich nicht.
Damit ist klar, es ist außerordentlich wichtig, dass das eingebrachte Futter eine vernünftige Qualität aufweist. Ich glaube nämlich auf keinen Fall, dass Karpfen alles fressen was ihnen so zugemutet wird.
Gute Qualität hat allerdings größere finanzielle Ausgaben zur Folge. Man muss eine Entscheidung treffen. Billiges, minderwertiges Futter birgt die Gefahr, die Fische nicht an den Platz zu bekommen. Das wäre dann wirklich zu teuer.
Meine Angelfreunde und ich haben uns daher entschieden die Futterboilies selbst herzustellen. Das ist natürlich eine Menge Arbeit, aber es erlaubt eine gute Qualität bei erträglichen Kosten.
Um noch zusätzlich die Ausgaben zu minimieren sollte man sich eine gute Strategie zulegen, wie, wo und wie viel man füttert. Eine überlegte Strategie erlaubt uns außerdem die Futtermenge zu reduzieren. Es macht überhaupt keinen Sinn, riesige Mengen Futter in den Fluss zu kippen, wenn man nicht genau überlegt hat was damit passiert. In einem See ist es relativ einfach einen Futterplatz anzulegen. In einem Fluss, der so unterschiedliche Bedingungen aufweist wie der Po, gestaltet sich das Anfüttern oft zur schwierigsten Aufgabe der ganzen Session.
Wir haben es mit einer riesigen Wassermenge zu tun, die andauernd in Bewegung ist. Der Wasserspiegel und die Fliesgeschwindigkeit verändern sich ständig. Um hier richtig zu füttern braucht man sehr viel Fingerspitzengefühl. Sehr wichtig ist die Beschaffenheit des Untergrundes. Ist das Flussbett sehr uneben werden die Boilies nicht so schnell von der Strömung fortgespült, als bei glattem Grund. Die ganze Form des Flussbettes spielt eine große Rolle. Wir müssen wissen wohin sich die Futterboilies bewegen um richtig zu füttern. Um den Boden des Flusses genau beurteilen zu können ist der Einsatz eines Echolotes von großem Vorteil.
Die Fließgeschwindigkeit ist ebenfalls von entscheidender Bedeutung. Während der Ebbe fliest das Wasser schneller als bei Flut. In Abhängigkeit von der Entfernung zur Einmündung ins Meer, der Jahreszeit und des Mondstandes kommt es bis zum Stillstand der Strömung. Im Extremfall dreht sich in Mündungsnähe die Strömung sogar um.
Besonders großes Augenmerk gilt bezüglich Vorbereitung den Ruten, den Leinen und sämtlichen Zubehörteilen. Jeder von Euch hat wahrscheinlich schon einmal am Wasser heftig geflucht, wenn irgendein Ersatzteil fehlte.
Auch wenn man mir manchmal nachsagt, ich sei übergenau und pedantisch, ist der Vorteil eindeutig auf meiner Seite. Ich habe mir natürlich auch angewöhnt meine Rollen und Bissanzeiger zu überprüfen bevor sie zum Einsatz kommen.
Über vorbereitete Vorfächer kann man natürlich unterschiedliche Auffassungen haben. Besser ist klarerweise die Anpassung an die Gegebenheiten vor Ort, aber wenn man schon genug Erfahrungen über das Gewässer hat, kann man auch schon mal die Vorfächer auf Vorrat produzieren.
Je länger ich darüber nachdenke, umso klarer wird mir Folgendes. Wenn man erfolgreich angelt spielt ein gewisses Quäntchen Glück bei unserem Hobby immer eine kleine Rolle. Daher ist es umso mehr notwendig sehr gut vorbereitet zu sein, um das Risiko eines Misserfolges zu minimieren. Genau das ist scheinbar meine Triebfeder für intensive Vorarbeiten.
Man stelle sich nur mal vor, der absolute Traumkarpfen, den man im Leben nur einmal fängt, hat endlich angebissen und dann passiert durch mangelhafte Kontrolle ein Missgeschick. Nicht auszudenken – der Lebensfisch ist weg. Schlimmstenfalls hat man ihn auch noch vorher gesehen.
Glaubt mir, das passiert immer wieder. Schon oft konnte ich an einem Vereinsteich miterleben wie schnell so etwas geht. Die Haken und Vorfächer werden kaum kontrolliert, am wenigstens die Leinen und schon schwimmt der nächste Karpfen mit einem „Piercing“ umher.
Was ich vermitteln möchte ist Folgendes.
Gute Vorbereitung und Kontrolle des Tackles sollte jedem Einzelnen von uns ein Anliegen sein, denn es dient nicht nur dem Angler selbst, sondern vor allem auch dem Schutz der Fische. Also liegt die wahre Herausforderung darin eine optimale Vorbereitung hinzukriegen und dann vor Ort so flexibel wie möglich zu sein. Das bedeutet auch die Bereitschaft Neues auszuprobieren ohne Risken einzugehen. Die Herausforderung anzunehmen, bedeutet aber auch die Chance etwas zu lernen um voranzukommen und trotzdem immer ein Auge auf dem Naturschutz zu haben.
Nun, genug der Vorbereitung, wie es scheint ist an alles gedacht. Sämtliche Eventualitäten wurden geprüft. Das gesamte Tackle ist in gutem Zustand. Alle Verschleißteile sind in ausreichender Menge vorhanden. Es ist nichts mehr dem Zufall überlassen. Viel Mühe und Arbeit hat es gekostet, aber jetzt ist es soweit. Schnell meinen Angelkollegen abgeholt und alles ins Auto gepackt. Wir halten uns beim packen immer an eine Checkliste. Da diese immer wieder ergänzt und gewartet wird, können wir nichts vergessen.
Ich kann euch nur sagen, das macht sich immer bezahlt. Es ist jetzt 1 Uhr morgens. Wir sind gerade auf die Autobahn aufgefahren und es trennen uns nur noch 6 bis 7 Stunden von unserem neuen Abenteuer an unserem Traumfluss.
Kaum angekommen kann uns nichts mehr halten. Aber Stopp, wir brauchen noch alle wichtigen Informationen über die momentane Situation. Unsere Angellizenzen sind auch schon vorbereitet. Ein Gezeitenkalender ist ebenfalls von Vorteil. Wir bekommen alles in gewohnter Weise in unserem Lieblingscamp, dem Wallerparadies in Porto Viro. Hier befindet sich einer der besten Flussabschnitte für unsere großartigen Schuppenträger.
Das Boot ist aufgetankt und das Echolot an Bord. Wir packen das gesamte Tackle rasch ein, ziehen uns etwas Warmes an, denn der Fahrtwind am frühen Morgen ist kalt und los geht’s.
Ich kann es nicht wirklich beschreiben, aber in dem Moment wenn das Boot übers Wasser gleitet und wir uns in Richtung unseres vorher ausgewählten Angelplatzes bewegen, packt mich jedes Mal ein ganz eigenartiges Gefühl. Ist es Freiheit oder die Spannung ob alles klappt oder ist es einfach die Ehrfurcht vor der Natur, vor dem Fluss der uns immer wieder traumhafte Stunden beschert? Wahrscheinlich ist es eine Mischung aus all diesen Gefühlen und der Hoffnung auf schöne Fänge.
Es ist Oktober 2008. Ich bin jetzt in den letzten 2 Jahren das sechste Mal im Po-Delta. Während der Fahrt zu unserem Angelplatz lasse ich all diese Wochen noch mal Revue passieren. Es gab jede Menge Highlights aber natürlich auch Rückschläge. In bester Erinnerung ist mit natürlich mein personal best im Juli 2008 (Spiegelkarpfen) und der meines Freundes im Mai 2007.
Es ist noch wie gestern in meinem Gedächtnis.
Während ich auf meiner Liege gedöst habe, hat mein Freund gedrillt und zwar ohne jeden Kommentar. Erst als er seinen Schuppi im Kescher hatte kam die trockene Meldung - „der schaut nicht so schlecht aus“. Bereits als ich ihn auf der Abhakmatte liegen sah, wusste ich, dass es eine starke Untertreibung war. Letztlich hat sich herausgestellt – 22,5 Kilo geballte Kraft – eine herrlicher Fisch.
Während ich noch in Erinnerungen schwelge, nähern wir uns auch schon unserem Ziel. Eine lang gestreckte Insel, die wir bereits kennen und die uns schon viele schöne Fische beschert hat. Wir checken die Lage vor der Insel mit dem Echolot.
Dann gehen wir an Land und beginnen auszupacken und aufzubauen. Ihr wisst schon, Zelt, Rod Pod, Ruten und alles was man so braucht um möglichst effektiv und bequem eine Woche zu verbringen. Langsam steigt die Flut. In 2 Stunden ist Höchststand.
Es wird Zeit zu füttern. Danach legen wir unsere Ruten aus. Wir plaudern und diskutieren den ganzen Nachmittag und langsam wird es dunkel. Bis jetzt noch kein Run, aber das stört uns nicht. Wir wissen, dass es Zeit braucht.
Es herrscht absolute Stille, nur eine paar Vögel fliegen zu ihren Schlafplätzen. Auch wir sind müde von den Strapazen des Tages. Nachdem wir schnell noch eine Kleinigkeit gegessen haben, verkrümeln wir uns in die Schlafsäcke.
Viel Zeit zum Ausruhen hatte ich allerdings nicht.
Gott sei Dank.
Um ca. 22 Uhr holt mich ein sehr willkommener Ton aus dem Tiefschlaf. Der erste Run. Wie in Trance, aber mit aller erworbenen Routine renne ich zu meinem Rod Pod, greife mir meine Harrison ballista – und - der Anschlag sitzt. Die erste Flucht des Fisches macht mich dann richtig wach. Er nimmt eine Menge Leine und flieht in Richtung Flussmitte. Er versucht die Strömung auszunutzen. Ich drehe meine Bremse trotzdem nicht weiter zu, sondern bremse mit den Fingern sehr dosiert an der Spule. Das hat sich immer bewährt, wenn ich große Karpfen gedrillt habe und es besteht kein Zweifel, dieser hier ist kein Leichtgewicht. Ich spüre seine Kraft und er setzt sie geschickt ein.
Es scheint als würde er einfach nicht müde werden. Kaum habe ich ein paar Meter Leine eingeholt, kontert er sofort, ändert seine Richtung und zieht ruckartig wieder Schnur ab. Das ist ein typischer Po-Karpfen. Eigensinnig, kampfstark und ausdauernd. So muss es sein. Ich kann mir seinen Körperbau genau vorstellen. Ein sehr lang gestreckter Schuppenkarpfen, wie ein Torpedo, ein großer Kopf, bullig und sehr große Flossen – vor allem die Schwanzflosse, so wie es für starke Strömungen notwendig ist.
Langsam kann ich meinen Gegner herandrillen. Ich stehe im Boot, das am Ufer festgemacht ist. Direkt von Ufer aus zu drillen und zu keschern wäre sehr schwierig, denn das Ufer verläuft viel zu flach. Am Heck des Bootes beträgt die Wassertiefe doch mindestens 60 cm. Langsam lässt sich der Fisch näher ziehen, aber erfahrungsgemäß war das noch nicht das Ende des Drills. Kaum hab ich das gedacht, geht’s auch schon los. Er drängt in Richtung Ufer und als er merkt, dass es für ihn zu seicht wird, nimmt er noch mal alle Kraft zusammen und zieht wieder in tiefere Gewässer. Es kann jetzt noch vieles passieren und genau deswegen ist es absolut wichtig, dass ich mich auf mein Material verlassen kann. Das gibt Selbstvertrauen. Sollte ich meinen Fisch trotzdem verlieren, dann sicher nicht durch einen Materialdefekt, sondern nur durch einen persönlichen Fehler beim Drill.
Ich habe meinen Karpfen jetzt schon relativ nahe beim Boot. Es ist dunkel und ich hab ihn noch nicht gesehen. Aber der eine oder andere enorme Wasserschwall lässt auf einen guten Fisch hoffen. Mit letzter Kraft versucht er jetzt unter das Boot zu schwimmen. Das sollte natürlich nicht passieren. Mit meiner 4 lbs Rute und einer 0,40-iger Schnur kann ich ihn gut vom Boot fern halten. Als er jedoch merkt, dass ich den Kescher ins Wasser lege, explodiert er regelrecht und nimmt noch einmal 15 bis 20 m Leine.
Nachdem ich auch seine letzte Flucht parieren konnte, schiebe ich langsam den Kescher unter ihn. Es ist geschafft. Ich bin sehr zufrieden. Was ich aber vorher noch nicht genau erkennen konnte lässt mein Herz nun wirklich höher schlagen. Es ist nicht der vermutete lang gestreckte Schuppenkarpfen, sondern ein wunderschöner, bulliger Spiegler. Ich bin restlos begeistert. Seit ich im Po-Delta fische, habe ich keinen solch herrlichen Spiegelkarpfen gelandet. Allein die Schwanzflosse ist überaus imponierend. Bezüglich seines Gewichtes könnt ihr gerne selbst spekulieren. In der gleichen Woche konnte ich noch einige gute Fische zum Landgang überreden.
Wenn bezüglich Runs einmal Flaute herrscht sollte man einfach mal entspannen und die Natur genießen. Es lebt hier eine Reihe von Vogelarten, die im und am Fluss genug Nahrung finden. Früh am Morgen kann man Reiher bei der Jagd beobachten. Es gibt hier Strandläufer, Eisvögel, Enten und Eulen. Natürlich leben hier auch verschiedene Möwenarten. Sie suchen meistens in der Luft kreisend nach Fressbarem und sie sind nicht wählerisch. Da kann ich mich an eine Woche erinnern, in der wegen der extrem hohen Wassertemperatur ein massives Muschelsterben stattgefunden hat. Jede Menge totes Muschelfleisch schwamm auf der Wasseroberfläche.
Das hat natürlich Möwen angelockt und zwar hunderte. Sie haben sich auch ganz in der Nähe der ins Wasser gespannten Angelleinen aus der Luft auf die treibenden Muscheln gestürzt. Einige haben die Leinen nicht gesehen und haben sich darin verheddert. Wir mussten die Leinen vorsichtig einholen, ohne die Möwen zu verletzen und sie dann aus den Schlaufen befreien. Nach gründlichem Check auf Verletzungen konnten wir sie dann wieder freilassen. Wenn ich mich richtig erinnere hatten sich 11 Möwen in den Leinen gefangen.
In der Dämmerung kommen die Nutrias aus ihren Verstecken und suchen im seichten Wasser nach Nahrung. Wenn sich zwei bei der Nahrungssuche zunahe kommen sind Streitigkeiten um die besten Happen vorprogrammiert. Die eigenartigste Entdeckung auf einer Insel war jedoch eine Maulwurfsgrille.
Wer von euch gerne Fisch isst, sollte eine leichte Rute zum Zanderfischen nicht vergessen. Man kann eine leckere Abwechslung in den Speiseplan bringen. Mit einer einfachen Grundmontage ist es nicht schwierig vom Ufer aus den einen oder anderen Zander zu überlisten.
Wir haben diesmal versucht den beliebten Speisefisch wie einen „Steckerlfisch“ auf offenem Feuer zu braten. Ich kann das nur empfehlen, es schmeckt hervorragend.
Aber bitte eines nicht vergessen.
Man darf insgesamt nur mit 3 Ruten pro Person angeln.
Es wird in letzter Zeit sehr intensiv kontrolliert und die Strafen für nicht eingehaltene Vorschriften sind sehr hoch. Ich finde das aber für absolut notwendig, denn dadurch werden all jene vom Wasser ferngehalten, die nur Unfug treiben und keinen Respekt vor der Natur haben.
Ich hoffe, dass ich damit die Zustimmung aller korrekten Angelfreunde finde. Ich denke wir müssen alle unterstützen, die dazu beitragen, dass wir auch in Zukunft ohne Probleme an unseren bevorzugten Gewässern fischen können.
Ich möchte jedenfalls noch so oft wie möglich im Po-Delta angeln. Es gibt da noch viel zu entdecken und zu lernen. Jeder einzelne Trip hat seine eigene Geschichte. Manchmal gibt es Überraschungen, aber meistens übertrifft es alle Erwartungen. Sicher ist, dass es immer spannend bleibt, denn dieser Fluss beherbergt mit Sicherheit eine Menge von absoluten Traumfischen. Sie sind nur nicht so leicht auf die Matte zu legen. Aber ich denke, gerade das ist die Herausforderung, die uns vorantreibt.
In diesem Sinne, tight lines und spannende Drills.
Ing. Eduard Krawagna